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Interview mit Ning

Ich heiße Ning, bin 16 Jahre alt und lebe im Dorf Phonkham. Meine jüngste Schwester ist 3 Jahre alt, die älteste ist 13. Die jüngeren Brüder Taem (12), Chip (9) und Khawi (7) sind mit meiner Mutter und den Schwestern auf dem Feld und graben neue Reisland-Terrassen.

Reis ist unsere Lebensgrundlage

Unser Vater ist vor drei Jahren gestorben und seitdem bin ich mit meiner Mutter Nang Pho für die Familie verantwortlich. Das bedeutet, daß ich mich mit meiner Mutter von Februar bis Dezember um die drei Hochland-Reisflächen kümmern muss. Insgesamt sind dies 1,5 ha. Wir bearbeiten diese Felder im Rotations-Verfahren, d.h. jedes Jahr kommt eine andere Fläche dran, damit sich die im letzten Jahr genutzten Felder erholen können. Im Februar schlagen wir den nachgewachsenen Bambus, das Gestrüpp und die Bäume, damit diese austrocknen. Je nachdem wie viel Regen im Winter fällt, fangen wir im März oder April an das trockene Gestrüpp abzubrennen. Dadurch wird die Fläche frei für das Anpflanzen des Trockenreises und die Asche düngt den Boden. Bis zur Ernte im Dezember gehen wir dann regelmäßig jäten. Nebenher und in der freien Zeit dazwischen sammeln wir Bambus- und Rattansprossen, Pilze, die Rinde der Maulbeersträucher und Pflanzen, welche wir dann verkaufen. Von dem Einkommen kaufen wir meistens Reis, da wir von dem halben Hektar Hochlandfläche nur 500 kg Rohreis ernten. Das sind ungefähr 250 kg geschälter Reis, welcher für die Familie gerade mal drei Monate reicht. Die Arbeit ist schwer und wir hatten keine Zeit über Verbesserungen nachzudenken.

Büffel und landwirtschaftliches Know-how sichern unsere Zukunft

Vor drei Jahren kam das Projekt (DWHH/GAA) und wir haben in einer Dorfversammlung mit den Leuten vom Projekt die Möglichkeiten zur Lösung unserer Probleme diskutiert. Alle waren der Meinung, daß ein Bewässerungs-Kanal uns die Möglichkeit eröffnen würde, anstatt Hochlandreis den Reis auf Nasslandflächen zu produzieren. Insgesamt würden dann 17 ha für das ganze Dorf zur Verfügung stehen. Doch die Schwierigkeiten waren vielfältig.
Das Gelände entlang des Kanals ist sehr steil und wir brauchten Sprengstoff, um das Gelände begehbar zu machen.
Wir haben keine Zeit am Kanal zu arbeiten, da wir entweder auf den Hochlandflächen beschäftigt sind oder im Wald nach essbarem oder verkaufbaren suchen müssen.
Was ist dann, wenn das Wasser läuft? Die Erde ist neu und wird 2-3 Jahre nicht viel produzieren. Wir haben keine Büffel, die wir beim Pflügen einsetzen könnten. Außerdem haben wir kein Nassland-Reissaatgut.
Alles zusammen schienen die Schwierigkeiten zu groß um sie zu meistern. Doch wir gaben nicht auf und durch die Hilfe des Projekts haben wir einen dreijährigen Arbeitsplan entwickelt.
Zuerst der Kanal. Das wird zwei Jahre dauern, - wenn nicht länger. Das Projekt versucht Reis vom Welternährung Programm (WFP) zu mobilisieren um die Arbeit mit Reis zu bezahlen. Damit haben wir Luft und müssen nicht Zeit zum Sammeln im Wald verbringen. Weiterhin wird das Projekt uns mit einen Techniker, Zement und Sprengstoff unterstützten. Zum Terrassieren der neuen Reisflächen wird das gleiche System eingesetzt: das WFP stellt Reis zur Verfügung, um uns dann je Kubikmeter Arbeit zu bezahlen. Über dieses System könnte das ganze Dorf arbeiten und Reis verdienen und gleichzeitig uns allen ganz neue Perspektiven eröffnen.

Aber was dann? Wie steht es mit Saatgut, dem Wissen wie man Nasslandreis anbaut? Was ist mit Wasserbüffeln zum Pflügen? Ning runzelt die Stirn und denkt zurück. Auch diese Probleme wurden im Detail ausdiskutiert. Das Projekt kann mit Saatgut und Produktionstechniken helfen. Doch jede Familie mit einem Wasserbüffel zu versorgen war nicht möglich, es gab noch andere Dörfer mit ähnlichen Problem und Bedürfnissen.
Auf hierfür haben wir eine Möglichkeit gefunden. Was wäre, wenn wir wenigstens einige Wasserbüffel hätten, diese gemeinsam nutzten und die Büffelkälber dann an andere Familien abgeben? Würde das funktionieren? Wie lange wird es dauern bis genügend Büffel im Dorf sind?

Unser Leben ist schon viel leichter

Mittlerweile sind drei Jahre vergangen. Ning zeigt uns den Wasserbüffel und stolz den ersten Nachwuchs. Er erklärt das System im Dorf. Seine Familie ist für ein Jahr für den Büffel verantwortlich. Gibt es in dieser Zeit ein Kalb, darf er es behalten. Die Büffelkuh geht nach einem Jahr an eine andere Familie. Bekommt die Büffelkuh jedoch innerhalb der ersten drei Monate bei der neuen Familie ein Kalb, erhält die alte Familie das Kalb, die die Kuh während der Trachtperiode betreut hat. Familien ohne Wasserbüffel dürfen sich z.B. auch einen Wasserbüffel zum Pflügen ausleihen. Dafür müssen sie jedoch 20 kg Rohreis in die Dorf-Reisbank einzahlen. Nach eineinhalb Jahren sind aus den 5 Wasserbüffeln schon 9 geworden.
Bald wird er die Büffelkuh weitergeben, doch das Kalb wird in 2 Jahren so groß sein, dass es zum Pflügen eingesetzt werden kann. Er ist froh, dass das Kalb weiblich ist.

Ning’s Mutter und Geschwister sind nicht im Dorf. Sie sind dabei die 0,4 ha Felder für den Nasslandreis-Anbau zu terrassieren. Letztes Jahr haben sie nur die Hälfte geschafft und darauf zusätzliche 200 kg Reis geerntet. Das ist wenig, aber mit den 500 kg aus den Hochlandflächen fast die Hälfte mehr als zuvor. Diesen Sommer, erklärt Ning, wird die ganze Fläche terrassiert sein. Im April wird die Familie Kompost vorbereiten, um den neuen Boden zu verbessern. Außerdem wird der Kanal fertig gestellt sein und der Wasserfluss zuverlässig die neuen Terrassen versorgen. Er denkt, daß es die Mühe wert war mehr als zwei Jahre viel Arbeit zu investieren um eine neue Produktionsbasis zu errichten. Nichts kommt über Nacht und das Leben ist schon denkbar leichter! Nasslandreis braucht viel weniger Arbeitsleistung und spart Zeit. Ähnlich ist es mit dem Trinkwasserprojekt, welches das Dorf nebenher gebaut hat: nicht nur die Durchfallkrankheiten sind zurückgegangen, sondern der Zeitaufwand zum Wasserholen ist viel geringer.

Es gibt noch immer viel zu tun

Auf die Frage, ob der Entwicklungsprozess jetzt abgeschlossen ist, antwortet Ning: noch lange nicht! Er führt uns im Dorf herum und erklärt, was sie noch alles vorhaben. Zuerst zeigt er uns die Blechform für Betonringe, welche die Sickergrube für die Toiletten waren. Jede Familie möchte eine Toilette und ist bereit zusätzlich zu der Arbeitsleistung 20% der Materialkosten zu tragen. Er erzählt von Anbauversuchen mit Erdnüssen im Winter, um ein zusätzliches Einkommen zu haben.
Außerdem haben die Frauen eine Spar- und Kreditgruppe gegründet. Für jedes Mitglied, welches drei Monate lang den von den Frauen selbst festgelegten Betrag einbezahlt, gibt das Welthungerhilfe-Projekt 100.000 Kip (8 Euro) in den gemeinsamen Topf. Die Frauen können sich dann Geld leihen. Warum nur Frauen? Und für was werden sich die Frauen Geld leihen? Ning lacht. Naja, in der Vergangenheit waren es meistens die Männer, die Probleme und Lösungen diskutiert haben. Aber wenn es dann ans Arbeiten ging, haben sie die Frauen vorgeschickt. Mit der Aufzucht von Kleintieren wie Hühnern, Enten und Schweinen war es ähnlich: wir gingen zu den Kursen in Tierhaltung und die Frauen waren verantwortlich. Mittlerweile ist es anders. Wir denken, dass die- oder derjenige, der die Arbeit macht, auch voll zuständig sein sollte. Ausserdem zeigen Frauen von Natur aus mehr Verantwortung. Die Frauen sagen, dass sie durch die Veränderungen und die damit verbundenen Zeiteinsparungen jetzt endlich mehr Raum haben, um die Zeit in andere Dinge als Haushalt und Kinder zu investieren. Sie wollen sich Geld leihen, um andere Einkommensmöglichkeiten aufzunehmen, z.B. bessere Kleintierhaltung, Saatgut für Gemüsegärten zu kaufen, Maulbeerpapier zu erzeugen etc.

Ning entschuldigt sich. Er möchte jetzt zu seiner Mutter und den Geschwistern, um bei der Terrassierung zu helfen. Er ist ja schließlich der älteste Mann in der Familie. Wir danken ihm für seine Zeit, reden noch mit anderen Familien über anstehende Arbeiten und begeben uns dann auf den Rückweg.

Das Interview führte Manfred Bach,
Projektleiter der DWHH vor Ort.
Sommer 2006

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